Am Nebentisch springen die Spuren des postadoleszenten Kotzens aus den geplatzten Kapillaren. Die Damen plaudern über Kastration. Die
Schwielen an meinen Fingerknöcheln nach unappetitlichen Begegnungen zu pflegen, habe ich mir abgewöhnt. Ich sinniere mit wenig Ernst über das Kinderkriegen. Liebe heilt schneller als Geld. Doch fürs letztere belügt man den Standesbeamten, während die inbrünstig getuschten Wimpern klimpernd flattern.
Es war eine Donnerstagnacht im Oktober, in der mir jemand sagte, seine gute Freundin sei mir einst ähnlich gewesen. „Sie hat dann doch noch einen Springer-Manager kennengelernt und geheiratet. Der ist sogar nett. Mittlerweile haben sie vier Kinder.“ Ich versuche mir vorzustellen, mit jemandem zu schlafen, dessen Hauptaufgabe darin besteht, einen Anzug zu tragen. Ich stelle mir vor mit jemandem zu schlafen, der denkt, ich würde feucht, wenn ich seine
Konten kännte. Ich stelle mir lieber vor, mit jemandem zu schlafen, der einen Bart trägt. Und ich stelle mir vor, mit jemandem alt zu werden, der mich mit einer Zeile zu Tränen rühren kann. Ich frage mich, warum mein Abend daraus besteht, mich mit prätentiösen Männern zu unterhalten, deren Hemd über dem Bauchansatz spannt, obwohl die runde
Vier noch in der Ferne weilt. Meine Hand zuckt mitleidsvoll um auszuholen und sie zu kraulen wie meine Zwergrussenkaninchen, die sich daraufhin stets entspannt im Heu ausstreckten. Doch schon in meiner Kindheit gab es nur ein Langohr, das mein Liebstes war. Die blaublütigen Rassekaninchen tragen Tätowierungen in beiden ihrer hübschen Lauscher. Mein Schöner hat eines, ich verzeichne 51 davon. Rassig und
überzüchtet ist für dieses Zusammenspiel ein mildes Etikett.
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